Wer Louis Geschichte noch nicht gelesen hast, sollte es nun tun. (Hier geht’s zum ersten Beitrag.)
Denn dieser Beitrag beleuchtet meine Seite der Geschichte und handelt nicht ein Geschehnis nach dem anderen ab.
In seinen beiden Beiträgen habe ich schon viele meiner Emotionen, Ängste, Beweggründe miteingebracht – doch einen Großteil habe ich auch ausgelassen. Mein Ziel war es, dass ich nur die Aspekte miteinfließen lassen, die auch wirklich Bedeutung in Louis Geschichte haben. Ob es mir gelungen ist, mag jeder für sich selbst entscheiden.
Die Zeit mit Loui war für mich ein Auf & Ab der Gefühle.
Dankbarkeit. Glück. Freude.
Wut. Trauer. Verzweiflung.
Das Monat mit ihm hat mich jedenfalls geprägt. Doch wie so oft im Leben kann man auch diese Geschichte nicht nur in schwarz und weiß sehen. Es gibt so viele Farben rundherum, die mitreinspielen und so ein großes ganzes ergeben. Ganz schön philosophisch – ich weiß. 😉
„Ich würde nie einen Hund zurücklassen…“
Bis zu der Begegnung mit Loui war ich mir sicher, dass es ein Hund von der Straße in einem Tierheim besser hat. Doch diese Erfahrung lehrte mich, dass eben nicht alles schwarz-weiß ist und ich aus manchen Denkmustern und auch Idealen, die mich geprägt haben, ausbrechen muss.
Hat es ein gesunder Junghund an einer Küste – an der weit und breit keine Gefahren, wie beispielsweise Verkehr lauern – wirklich schlechter als in einem Tierheim? Ist das freie Leben an einem Strandabschnitt mit Campern, die ihn unregelmäßig füttern, schlechter als ein Aufenthalt mit unbestimmte Dauer in einem Zwinger ohne Auslauf?
Hätte man mir diese Fragen gestellt, als ich noch gut behütet in Österreich war, hätte ich mit „Ja“ geantwortet. Ein Hund hat nicht „auf der Straße“ zu leben, sondern sollte dringend in ein Tierheim gebracht werden.
Doch nun frage ich mich – welche Motive führen zu dieser Antwort? Fühlt man sich besser, weil man „etwas getan“ hat? Weil man die Gewissheit hat einen armen Straßenhund „gerettet“ zu haben?
Ich habe gelernt, dass es wichtig ist die eigenen Gefühle hinten anzustellen und so objektiv als möglich die Situation zu betrachten und dann die bestmögliche Entscheidung zu treffen. Für den Hund und für sich selbst.
Die einfachste Entscheidung für meine Gefühlslage, meinen Alltag wäre es gewesen Loui ins Tierheim zu bringen. Damit hätte ich sofort „geholfen“ und hätte nicht damit klar kommen müssen ihn zurücklassen zu müssen.
„das könnte ich nicht....“
Ich habe immer gesagt, dass ich nicht in der Lage bin einen Pflegehund aufzunehmen, da ich mich nicht von ihm trennen könnte. Loui hat mich eines Besseren belehrt. Nicht nur habe ich ihn für 2 Wochen in mein Rudel integriert und mit ihm meinen Van geteilt, ich habe ihm auch einen Teil meines Herzens geschenkt. So wie auch er mir. War der Abschied schwer? Unheimlich. Der Abschied war voller Trauer. Doch danach folgte eine unheimliche Erleichterung. Ich hatte das Gefühl wieder freier atmen zu können. Mit Stolz blicke ich nun auf die Zeit zurück und hätte nichts anders gemacht. Und wer weiß wofür es noch gut war – vielleicht hat Loui ein ganz neues Tor geöffnet.
„Mein Bauchgefühl hat immer recht...“
Diesen Satz habe ich nicht zum ersten Mal in meinem Leben gesagt. Mein Bauchgefühl ist mein Kompass. Ein Kompass der mich verlässlich durch mein Leben führt. Für andere oft schwer verständlich. Für mich der einzig richtige Wegweiser.
Ich hatte bei der Interessentin von Loui ein schlechtes Gefühl. Von Beginn an fühlte sich etwas nicht richtig an. Mit jeder vergangenen Stunde, mit jedem Gespräch verstärkte es sich nur noch mehr. Durch Druck von außen und auch die Hoffnung ein schönes Zuhause für ihn zu finden, ignorierte ich es für einen kurzen Moment. Doch wie auch sonst im Leben ist mir das nicht lange möglich – und Gott sei Dank hörte ich auch wieder darauf. Entgegen aller Gegenworte meines Reisepartners Tommy. Wer weiß wo Loui heute wäre, hätte ich ihm der Interessentin übergeben.
„Ich brauche dich...“
Vor knapp eineinhalb Jahren, im Februar 22, habe ich meine Mama an Krebs verloren. Meine Mama war mein Anker. Sie war mein Mensch. Besonders in herausfordernden Momenten wünsche ich sie mir an meine Seite. Ihre beruhigende Art, ihre bestärkenden Worte und ihre Umarmung, die für einen Moment alles besser machten.
Es gab zwei Tage in der Zeit mit Loui, in der meine Gefühle der Überforderung mit einer akuten Trauerwelle gepaart waren. Eine Trauer, die mich so krass mitriss, so dass ich mich richtig gelähmt fühlte. Zugleich glaube ich fest daran, dass sie der Engel ist, der mir immer wieder Kraft schenkt in solchen Momenten.
„Hättest du mir das vorher gesagt...“
Das hat mir wirklich den Rest gegeben. In diesem Moment fühlte ich mich wirklich sehr machtlos, hilflos und verzweifelt. Denn als ich zugesagt habe Loui mindestens zwei Wochen bei uns zu behalten, bin ich eben von einem „uns“ ausgegangen. Doch Tommy teilte mir am Tag darauf mit, dass er es sich anders überlegt hat und nun doch nicht helfen möchte. Es wäre zu viel Arbeit. Zu viel Verantwortung. Zu viel Risiko diesen „wilden“ Hund zu behalten über den wir doch keine Kontrolle haben. (Das ist nur der Ausschnitt der Dinge, die ich euch zumuten möchte).
„Hättest du mir das vorher gesagt“, waren meine Worte an ihn. Denn in meiner Entscheidung Loui bei uns aufzunehmen war ich mir der Arbeit und der Verantworte bewusst. Mir war bewusst, dass es nicht leicht werden würde. Doch alleine damit dazustehen machte mir große Angst. Denn alleine mit 3 Hunden Auto zu fahren. 3 Hunde, die noch kein eingespieltes Team sind alleine im Auto lassen zu müssen, wenn ich einkaufen gehen würde, Wäsche waschen, etc – das war eine andere Hausnummer.
Auch wenn mir von vornherein bewusst war, dass die wirkliche Arbeit an mir hängen bleiben würde, zählte ich doch auf seine Unterstützung in solchen Momenten und das hat mir Sicherheit gegeben.
„Hättest du mir das vorher gesagt, dann hätte ich ihn vielleicht doch zur Pflegestelle gebracht.“, waren meine Worte. Doch sind wir uns ehrlich – hätte ich das? Mit großer Sicherheit nicht, aber ich hätte die Chance gehabt die Entscheidung für mich zu treffen. So war mir das genommen worden.
Aus heutiger Sicht bin ich dankbar dafür. Dankbar, weil ich an dieser Herausforderung gewachsen bin. Dankbar, weil ich wunderbare Momente mit den 3 Hunden erleben durfte. Dankbar, weil dies die Spitze auf dem Eisberg war diesen Menschen endlich ganz aus meinem Leben zu streichen. (Meine besten Freundinnen danken auch recht herzlich. ;))
Danke Loui, dass ich ein Teil deines Lebens sein durfte. Danke, dass ich durch dich über mich herauswachsen durfte. Danke, dass ich zusehen durfte wie du aufgeblüht bist. Danke für all das, was ich lernen durfte.